Gestern habe ich diesen Artikel gesehen, der meines Wissens darauf hindeutet, dass ein positives Gentestergebnis nicht automatisch bedeuten würde, dass man diese Krankheit hat. Kann mir jemand mit genetischen Kenntnissen sagen, ob dies auch für seltene Krankheiten gilt? Kann es sein, dass ein Mensch trotz defektem Gen tatsächlich nicht betroffen ist? wie stehen die Chancen? Ich war sehr überrascht von dem, was dort geschrieben stand. fast zu schön um wahr zu sein.
https://www.mountsinai.org/about/newsro ... ng-disease
Die meisten „pathogenen“ genetischen Varianten haben ein geringes Risiko, Krankheiten zu verursachen
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Die meisten „pathogenen“ genetischen Varianten haben ein geringes Risiko, Krankheiten zu verursachen
Mutter von Ali, geboren 2022, mit Wiedemann-Steiner-Syndrom.
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Re: Die meisten „pathogenen“ genetischen Varianten haben ein geringes Risiko, Krankheiten zu verursachen
Abit hat geschrieben: ↑17.09.2023, 23:27 Gestern habe ich diesen Artikel gesehen, der meines Wissens darauf hindeutet, dass ein positives Gentestergebnis nicht automatisch bedeuten würde, dass man diese Krankheit hat. Kann mir jemand mit genetischen Kenntnissen sagen, ob dies auch für seltene Krankheiten gilt? Kann es sein, dass ein Mensch trotz defektem Gen tatsächlich nicht betroffen ist? wie stehen die Chancen? Ich war sehr überrascht von dem, was dort geschrieben stand. fast zu schön um wahr zu sein.
https://www.mountsinai.org/about/newsro ... ng-disease
Bin Molekularbiologin/Genetikerin. Generell ist es so, daß es sehr wenige Krankheiten gibt bei denen ein Gendefekt wie das Amen im Gebet eine immer gleiche/sehr ähnliche Erkrankung nach sich zieht. Oft ist es eher ein Zusammenspiel mehrerer Gene, oder ein Wechselspiel mit der Umwelt. Selbst wenn sich ein Gendefekt wirklich in einer Erkrankung äussert, ist die Bandbreite der Ausprägung oft sehr groß. Gerade bei sehr seltenen Syndromen die nur bei einer Handvoll Fälle beschrieben wurden, muß man mit der Interpretation aufpassen. Je weniger Fälle, desto weniger kann man auch konkret sagen was wirklich nur von dem einen Defekt kommt, und was ein Zusammespiel mit anderen Dingen ist.
Söhnchen (02/2015) mit motorischer Dyspraxie und Wahrnehmungsstörungen
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Re: Die meisten „pathogenen“ genetischen Varianten haben ein geringes Risiko, Krankheiten zu verursachen
Liebe Abit,
hab vielen lieben Dank für das Teilen dieses Artikels. Ich bin zwar keine Expertin, habe mir aber im Zuge der Diagnostik um meinen Sohn auch einiges angelesen und die Erkenntnisse aus der Studie geben, wie ich finde, in bestimmter Hinsicht Anlass zur Hoffnung.
Was ich ein bisschen in dem Text vermisse, ist der Hinweis, dass bei vielen genetischen Syndromen beide Genkopien betroffen sein müssen - sowohl die jeweils vererbte von Vater und Mutter. Wenn nur eine Kopie defekt ist, werden aus der anderen gesunden Kopie die benötigten Proteine gebildet und der betroffene Mensch hat keine Symptome. Deshalb kann man sagen, dass wahrscheinlich alle Menschen irgendwelche Defekte in ihrem genetischen Bauplan haben. Nur in vielen Fällen merken sie nichts davon, weil es oft eine gesunde Kopie gibt. Macht ja auch Sinn, so hat die Natur das eben eingerichtet.
Ansonsten möchte ich dir sehr gern das Buch "Wir können unsere Gene steuern" von Isabelle M. Mansuy (Professorin für Neuroepigenetik an der Uni Zürich) ans Herz legen. In dem Buch geht es weniger um genetische Krankheiten, sondern darum, unseren genetischen Bauplan nicht als unveränderlich zu betrachten. Die Gene an sich sind zwar "fix" und unabänderlich, aber warum und in welcher Art und Weise sie abgerufen werden, lässt sich sehr wohl beeinflussen. Das nennt sich dann Epigenetik, also jene Prozesse, die die Aktivität von bestimmten Genen oder Genabschnitten beeinflussen.
Der Schlüssel zum positiven Beeinflussen jener Epigenetik ist denkbar einfach: Viel Bewegung und gesunde Ernährung sowie bestmöglichster Verzicht auf Schadstoffe. Umgekehrt sorgen schlechte Ernährung, Bewegungsarmut und Schadstoffe eben dafür, dass viele Krankheiten, die durch bestimmte Genmutationen schon in der Anlage da waren, sich mit der Zeit erst ausbilden. Das würde auch erklären, warum einige Menschen Rheuma, Diabetes, Demenz, Multiple Sklerose usw. mit der Zeit ausbilden und andere eben nicht. Weil es in ihrem genetischen Profil bereits "angelegt" war und durch bestimmte Lebensgewohnheiten oder Mängel das Risiko des Ausbruchs der Erkrankung sukzessive erhöht wurde.
Umgekehrt kann man natürlich argumentieren: Wenn ein Kind ein genetisches Syndrom hat, kann man dieses in seinem Fortschreiten und seiner Ausprägung auf jeden Fall günstig beeinflussen und die ganze Symptomatik ist nicht in Stein gemeißelt. Das bedeutet natürlich keine vollumfängliche Heilung, aber doch zumindest, dass man etwas tun kann. Gerade weil noch so vieles bei einem kleinen Menschen in der Entwicklung ist.
Gesunde Ernährung und Bewegung klingen natürlich total banal und nach Binsenweisheit, aber die Forschung um dieses ganze Thema ist auch noch relativ neu. Ich hoffe auch, dass ich niemandem der Mitlesenden hier auf den Schlips trete, das soll nicht meine Absicht sein.
Wenn du dich weiter zu dem Thema austauschen magst, kannst du mir sehr gerne eine PN schicken. Ich habe mit diesem Ansatz bei meinem Sohn bisher jedenfalls durchweg positive Erfahrungen gemacht.
hab vielen lieben Dank für das Teilen dieses Artikels. Ich bin zwar keine Expertin, habe mir aber im Zuge der Diagnostik um meinen Sohn auch einiges angelesen und die Erkenntnisse aus der Studie geben, wie ich finde, in bestimmter Hinsicht Anlass zur Hoffnung.
Was ich ein bisschen in dem Text vermisse, ist der Hinweis, dass bei vielen genetischen Syndromen beide Genkopien betroffen sein müssen - sowohl die jeweils vererbte von Vater und Mutter. Wenn nur eine Kopie defekt ist, werden aus der anderen gesunden Kopie die benötigten Proteine gebildet und der betroffene Mensch hat keine Symptome. Deshalb kann man sagen, dass wahrscheinlich alle Menschen irgendwelche Defekte in ihrem genetischen Bauplan haben. Nur in vielen Fällen merken sie nichts davon, weil es oft eine gesunde Kopie gibt. Macht ja auch Sinn, so hat die Natur das eben eingerichtet.
Ansonsten möchte ich dir sehr gern das Buch "Wir können unsere Gene steuern" von Isabelle M. Mansuy (Professorin für Neuroepigenetik an der Uni Zürich) ans Herz legen. In dem Buch geht es weniger um genetische Krankheiten, sondern darum, unseren genetischen Bauplan nicht als unveränderlich zu betrachten. Die Gene an sich sind zwar "fix" und unabänderlich, aber warum und in welcher Art und Weise sie abgerufen werden, lässt sich sehr wohl beeinflussen. Das nennt sich dann Epigenetik, also jene Prozesse, die die Aktivität von bestimmten Genen oder Genabschnitten beeinflussen.
Der Schlüssel zum positiven Beeinflussen jener Epigenetik ist denkbar einfach: Viel Bewegung und gesunde Ernährung sowie bestmöglichster Verzicht auf Schadstoffe. Umgekehrt sorgen schlechte Ernährung, Bewegungsarmut und Schadstoffe eben dafür, dass viele Krankheiten, die durch bestimmte Genmutationen schon in der Anlage da waren, sich mit der Zeit erst ausbilden. Das würde auch erklären, warum einige Menschen Rheuma, Diabetes, Demenz, Multiple Sklerose usw. mit der Zeit ausbilden und andere eben nicht. Weil es in ihrem genetischen Profil bereits "angelegt" war und durch bestimmte Lebensgewohnheiten oder Mängel das Risiko des Ausbruchs der Erkrankung sukzessive erhöht wurde.
Umgekehrt kann man natürlich argumentieren: Wenn ein Kind ein genetisches Syndrom hat, kann man dieses in seinem Fortschreiten und seiner Ausprägung auf jeden Fall günstig beeinflussen und die ganze Symptomatik ist nicht in Stein gemeißelt. Das bedeutet natürlich keine vollumfängliche Heilung, aber doch zumindest, dass man etwas tun kann. Gerade weil noch so vieles bei einem kleinen Menschen in der Entwicklung ist.
Gesunde Ernährung und Bewegung klingen natürlich total banal und nach Binsenweisheit, aber die Forschung um dieses ganze Thema ist auch noch relativ neu. Ich hoffe auch, dass ich niemandem der Mitlesenden hier auf den Schlips trete, das soll nicht meine Absicht sein.
Wenn du dich weiter zu dem Thema austauschen magst, kannst du mir sehr gerne eine PN schicken. Ich habe mit diesem Ansatz bei meinem Sohn bisher jedenfalls durchweg positive Erfahrungen gemacht.
Alina mit Arthur, geb. 02/22, LAMA2-assoziierte Muskeldystrophie
Mein Ernährungs-Blog für eine gesunde und glückliche Kindheit trotz Handicap: https://handifit.blog/
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Re: Most "pathogenic" genetic variants have a low risk of causing diseases
Liebe Alina, vielen Dank für deine Antwort. Ich habe letzte Woche die Diagnose meines Sohnes erhalten und versuche immer noch, alles zu verarbeiten und nach Dingen zu suchen, die mir einen Hoffnungsschimmer geben können. Eines der Hauptsymptome des Wiedemann-Steiner-Syndroms ist auch Muskelschwäche. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mir bitte Dinge sagen könnten, die dabei helfen können. Ich schreibe dir auch eine private Nachricht.Alina270185 hat geschrieben: ↑18.09.2023, 10:19 Liebe Abit,
hab vielen lieben Dank für das Teilen dieses Artikels. Ich bin zwar keine Expertin, habe mir aber im Zuge der Diagnostik um meinen Sohn auch einiges angelesen und die Erkenntnisse aus der Studie geben, wie ich finde, in bestimmter Hinsicht Anlass zur Hoffnung.
Was ich ein bisschen in dem Text vermisse, ist der Hinweis, dass bei vielen genetischen Syndromen beide Genkopien betroffen sein müssen - sowohl die jeweils vererbte von Vater und Mutter. Wenn nur eine Kopie defekt ist, werden aus der anderen gesunden Kopie die benötigten Proteine gebildet und der betroffene Mensch hat keine Symptome. Deshalb kann man sagen, dass wahrscheinlich alle Menschen irgendwelche Defekte in ihrem genetischen Bauplan haben. Nur in vielen Fällen merken sie nichts davon, weil es oft eine gesunde Kopie gibt. Macht ja auch Sinn, so hat die Natur das eben eingerichtet.
Ansonsten möchte ich dir sehr gern das Buch "Wir können unsere Gene steuern" von Isabelle M. Mansuy (Professorin für Neuroepigenetik an der Uni Zürich) ans Herz legen. In dem Buch geht es weniger um genetische Krankheiten, sondern darum, unseren genetischen Bauplan nicht als unveränderlich zu betrachten. Die Gene an sich sind zwar "fix" und unabänderlich, aber warum und in welcher Art und Weise sie abgerufen werden, lässt sich sehr wohl beeinflussen. Das nennt sich dann Epigenetik, also jene Prozesse, die die Aktivität von bestimmten Genen oder Genabschnitten beeinflussen.
Der Schlüssel zum positiven Beeinflussen jener Epigenetik ist denkbar einfach: Viel Bewegung und gesunde Ernährung sowie bestmöglichster Verzicht auf Schadstoffe. Umgekehrt sorgen schlechte Ernährung, Bewegungsarmut und Schadstoffe eben dafür, dass viele Krankheiten, die durch bestimmte Genmutationen schon in der Anlage da waren, sich mit der Zeit erst ausbilden. Das würde auch erklären, warum einige Menschen Rheuma, Diabetes, Demenz, Multiple Sklerose usw. mit der Zeit ausbilden und andere eben nicht. Weil es in ihrem genetischen Profil bereits "angelegt" war und durch bestimmte Lebensgewohnheiten oder Mängel das Risiko des Ausbruchs der Erkrankung sukzessive erhöht wurde.
Umgekehrt kann man natürlich argumentieren: Wenn ein Kind ein genetisches Syndrom hat, kann man dieses in seinem Fortschreiten und seiner Ausprägung auf jeden Fall günstig beeinflussen und die ganze Symptomatik ist nicht in Stein gemeißelt. Das bedeutet natürlich keine vollumfängliche Heilung, aber doch zumindest, dass man etwas tun kann. Gerade weil noch so vieles bei einem kleinen Menschen in der Entwicklung ist.
Gesunde Ernährung und Bewegung klingen natürlich total banal und nach Binsenweisheit, aber die Forschung um dieses ganze Thema ist auch noch relativ neu. Ich hoffe auch, dass ich niemandem der Mitlesenden hier auf den Schlips trete, das soll nicht meine Absicht sein.
Wenn du dich weiter zu dem Thema austauschen magst, kannst du mir sehr gerne eine PN schicken. Ich habe mit diesem Ansatz bei meinem Sohn bisher jedenfalls durchweg positive Erfahrungen gemacht.
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- Registriert: 08.09.2023, 09:46
Re: Die meisten „pathogenen“ genetischen Varianten haben ein geringes Risiko, Krankheiten zu verursachen
Sehr gerne, ich freue mich auf den Austausch
Alina mit Arthur, geb. 02/22, LAMA2-assoziierte Muskeldystrophie
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