ich bin hier schon eine Weile angemeldet, habe viel gelesen und wollte auch schon oft schreiben und habe es dann doch nicht gepostet. Vielleicht jetzt.
Es geht um meinen 6-jährigen Sohn, bei dem mir oft Dinge aufgefallen sind, in denen er sich von seinen gleichaltrigen Freunden unterscheidet. Gleichzeitig werde ich auch einfach nicht schlau draus, weil sich so vieles widerspricht und unterm Strich kommt er einigermaßen und meistens gut klar.
Zum einen ist da ein große Reizoffenheit. Schon in der Krabbelgruppe nahm er Dinge wahr, die den anderen Kindern in der Regel nicht aufgefallen sind. Einmal ging zum Beispiel der Hausmeister durch den Raum. Mein Sohn hat sein Spiel sofort beendet und den Mann mit den Augen verfolgt, bis er verschwunden war. Kein anderes Baby nahm den überhaupt zur Kenntnis. Kindergarten ging am Anfang eigentlich nur für 2 Stunden.(Da war er 2,5 Jahre) Dann war er platt. Da er drei Stunden bleiben musste, kam er komplett reizüberflutet nach Hause. Corona sei dank bekam er dann ja noch mal Zeit. Mit 4 Jahren wurde es besser. Im letzten Kindergartenjahr hat er auch 6 Stunden geschafft (womit ich anfangs nie gerechnet hätte).
Wenn es laut wird, wird er zappelig. Er flattert oft mit den Händen macht auch viele Geräusche, wenn er aus reizvollen Situationen herauskommt. Er ritualisiert sehr schnell. Etwas, das einmal gemacht wurde, fordert er auf diese Art schnell wieder ein und es kann Wochen dauern, bis es nicht mehr thematisiert wird. Rituale und feste Abläufe helfen ihm sehr. Was aber lange hieß, dass ich ihn abends ins Bett bringen und die Abendroutine mit ihm machen musste, weil es mit meinem Mann nicht geklappt hat (das Ritual war nicht übertragbar). Bis heute braucht mein Sohn für den Ablauf noch Anweisung und eine Schritt-für-Schritt-Erinnerung.
Nun kam er mit frischen 6 Jahren in die Schule. Er geht da gerne hin. Aber schon in der ersten Woche kam die Rückmeldung, dass er zu langsam arbeitet. Er bringt Arbeitsblätter zum Nacharbeiten mit. Und - das ist wieder etwas, das mich wundert - es geht hier erstaunlich schnell. Er geht damit selbstständig in sein Zimmer und sagt mir nur, mit welcher Aufgabe er beginnt. Er stellt sich eine Sanduhr mit 10 min. Dann macht er 5 min Pause und es geht von vorne los. Länger als 20-30 min brauchte er noch nicht. Und dann hat er die Hausaufgaben und die Aufgaben, die er nacharbeiten muss, erledigt. Er bekommt auch gut mit, was er machen soll. Ehrlich gesagt habe ich den Eindruck, dass er sehr viel mitbekommt, was in dem Raum passiert und im Moment noch gar keine Möglichkeit hat, diese Informationen zu priorisieren. Aber er wusste gestern, dass sie eine Tischunterlage mitbringen sollen und dass die Klassenlehrerin dazu seine Mail an die Eltern schreiben wollte. Ich hatte bis abends keine Mail und als ich eine Mutter aus der Klasse traf, fragte ich sie, aber weder sie noch ihre Tochter wussten etwas davon. Die Mail kam dann um 23 Uhr und er hatte alle Infos dazu richtig behalten und mir erzählt.
Er ist ein sozialer und sehr offener Junge, der aber erst spät (mit 4,5 Jahren) soziale Kontakte mit Gleichaltrigen gesucht hat. Auch jetzt hat er wenige gute und einen allerbesten Freund. Er ist wahnsinnig rational und hat ein sehr technisches Weltbild. Angst vor Monstern und Geistern gab es hier bisher noch nie, dafür ist seine größte Angst, dass er sterben und in einem dunkeln Grab liegen könnte. Tiere waren ihm lange suspekt, weil die so unberechenbar waren. Aber insgesamt spielen Ängste keine große Rolle. Er ist auch ein Emotionsbündel (und benennt seine Gefühle auch schon seit er sprechen kann) und für einen guten Witz würde er alles tun. Und ich finde ihn auch wirklich empathisch. Er bietet verschiedenen Kindern, verschiedene Spiele an. Wir hatten neulich Besuch von seiner Patentante, die er ganz selten sieht, und auch da hat er Spielangebote gemacht, die auf sie "zugeschnitten" waren.
Warum ich das ganze jetzt unter dem ADS -Label poste sind seine Langsamkeit, seine sehr hohe Ablenkbarkeit, seine Vergesslichkeit und seine oft fehlende Selbstorganisation. Er ist auf der einen Seite so selbstständig (seit der vier Jahre ist, fährt er allein mit dem Bus vom Kindergarten nach Hause (Vorteil des Landlebens

Bei der Einschulungsuntersuchung sollte er auf einem DinA4 Blatt voller Smilies die traurigen wegstreichen. Die erste Zeile war super, dann hat er komplett die Orientierung verloren und hat den Stift wahllos über die Smilies kreisen lassen.
In seiner Grobmotorik ist er auch ein bisschen langsam. Das ist alles nicht ganz so geschmeidig, aber er konnte mit 3 Radfahren und schwimmt sehr gern - vor allem liebt er tauchen. "Mama, unter Wasser ist es immer so schön ruhig." Schwimmen hat er sich selber beigebracht, weil wir einfach viel im Schwimmbad waren. Es hat so viele Monate gedauert, bis er sich getraut hat den Kopf unter Wasser zu tauchen. Und dann ist lange "gepaddelt", bis er dann einen Schwimmkurs besuchen wollte. Ich durfte ihm nicht zeigen, wie es geht. Auch hier ist mein Eindruck, dass es ihm möglicherweise schwer fällt, das Gesagte umzusetzen. Und er sucht sich daher lieber seine eigene Wege.
Beim Kindergarten habe ich das alles angesprochen. Aber die meinten, er läuft gut mit. Sie hatten zwar am Anfang bemängelt, dass er zu unflexibel sei, aber nachdem er den Ablauf 2 Jahre kannte, gab es da so viele Überraschungen nicht mehr. Er wäre organisiert und wüsste, wo seine Sachen sind. Und wenn sie raus gingen, sei er oft einer der ersten, die fertig wären. Die Aussage meines Sohnes dagegen ist, dass er fast immer der letzte war, der sich zum Bus aufgestellt hätte. Er musste dann aus dem Spiel raus und sich von seinen Freunden verabschieden, die nicht mit Bus fuhren. Und mein Eindruck war, dass er sich ganz gut "unsichtbar" machen konnte. Jedenfalls wussten sie oft gar nicht, wo er ist- und wenn er dann auftauchte, hatte er sich mit seinem Kumpel in eine halbwegs ruhige Ecke verzogen.
Und die Kinderärztin meint zu meiner Nachfrage: "Meckert der Kindergarten? Nein? Dann sitzen Sie das aus. Es zeigt, dass er mit der Reizoffenheit klarkommt und Wege findet."
Vielleicht meckert jetzt also die Schule. Aber vielleicht bekommt er in ein paar Wochen oder Monaten auch da den Dreh raus. Übergangssituationen sind hier immer nicht ganz leicht, aber er kann sich ziemlich gut anpassen. Manchmal bin ich froh darüber und manchmal treibt es mir einfach nur die Tränen in die Augen, weil ich spüre, dass es ihn viel Kraft kostet.
Ich war selber vor einem guten Jahr bei einer Psychologin, weil mir eine Freundin riet bei mir selbst ADHS abklären zu lassen. Ich hatte nur das Erstgespräch und die Therapeutin meinte, es würde vieles dafür sprechen, obwohl ich finde, dass viele Dinge eigentlich nicht passen. Ich hatte z.B. nie Probleme in der Schule, aber schon immer damit mich zu strukturieren. Nach dem Gespräch hatte ich jedenfalls den Eindruck, dass man seine Diagnose schon bekommt, wenn man an der richtigen Stelle, die richtigen Probleme benennt. Das ist natürlich viel zu kurz gegriffen. Das ist nur etwas, was ich so empfinde... , so, als wäre das nie sicher und vielleicht eben nur Perspektive der jeweiligen Therapeuten... und dann bekomme ich Zweifel.... Für mich selber, aber eben auch mit der Frage, ob und wenn ja, was, ich bei meinem Sohn abklären lassen möchte.
Danke fürs Lesen.
Viele Grüße
Kaethe