Unser Sohn kam 2016 als Schreibaby zur Welt, das erste Jahr war sehr turbulent, er fand einfach nie in den Schlaf und war ständig übermüdet und am Brüllen.
Er fing mit 10 Monaten an zu gehen und von da an, war er kein Schreihals mehr, dafür ein Sturzpilot.
Er hatte etliche Wunden, Beulen, Knochenrisse, Gehirnerschütterung, irgendwas war immer. Er konnte zwar motorisch schon direkt richtig rennen, kannte aber natürlich in dem Alter noch keine Gefahr und überschätzte sich mit einer beängstigenden Regelmäßigkeit selbst.
Mit ca 2,5 Jahren blieb seine sprachliche Entwicklung völlig stehen, zu diesem Zeitpunkt sagte er noch kein R,S, SCH, X, CH, F,Z ,... und so ist es heute noch mit 6,5 Jahren.
Wir hatten dann mit etwas über drei Jahren einen ersten HNO Termin, damals war sein Hörvermögen stark vermindert wegen eines Ergusses. Nachdem dieser erfolgreich (ohne OP) behandelt wurde, erhofften wir uns den mittlerweile erheblichen Rückstand mit einigen Stunden Logopädie aufholen zu können.
Unser Sohn startete dann mit ca 3,5j mit der Logo, der Logopäde machte seinen Job gut aber unser Kind hatte eine Aufmerksamkeitsspanne von wenigen Sekunden und war überhaupt nicht kooperativ. Die Brettspiele, Puzzle, Malbücher usw interessierten ihn alle kein Stück und er war auch absolut nicht "bestechlich". Ich musste immer mit in die Stunde weil der Therapeut das so wünschte bei so jungen Kindern, und so fing unser Sohn nach wenigen Stunden massiv an, die Grenzen auszuloten. Waren zwei "Bezugspersonen" im Raum, war es für ihn scheinbar extrem wichtig herauszufinden, wer das Sagen hatte. Die Fortschritte blieben natürlich aus unter diesen Bedingungen. Wir hatten im März mit der Logo begonnen und im Mai fing der Sohn an, einzunässen des nachts. Wir mussten sogar zurück zur Windel. Schon bald fing es auch tagsüber an und auch Kot ging immer öfter in die Hose. Rückblickend wäre es sicher gut gewesen, die Logo sofort zu beenden, aber wir waren naiv und glaubten es würden bald die ersten Fortschritte folgen und wir blieben dran bis Mitte des Sommers.
Dann wurde es immer schwieriger mit dem Kleinen zu arbeiten und die Logo immer mehr zur Qual, tagsüber benötigte er plötzlich 4-5 Hosen und wir konnten nirgends mehr hin, ohne Feuchttücher und Wetbags. Ich schämte mich und hatte viel zu viele Selbstzweifel. Im Abschlussbericht des Logopäden stand, dass unser Kind eine viel zu kurze Aufmerksamkeit hat und dringend ergotherapeutisch unterstützt werden sollte. Wir wendeten uns an einen Sozialdienst der alle möglichen Therapien vermittelt und kamen dort auf die Warteliste.
Im Sommer wurde unser Sohn 4 Jahre alt und startete im Herbst mit dem Kiga. Das Einnässen nahm kein Ende, obwohl er zu Beginn beim Kiga kaum einnässte, fing es nach wenigen Wochen mit doppelter Wucht wieder an. Nachts trug er immer noch Windeln. Nun hatten wir ein Gespräch mit dem Kiga, weil sie überfordert waren mit dem Einkoten/Einnässen von unserem Kind. Wir entschieden, Druck rauszunehmen und eine Weile tagsüber eine Windel zu nutzen. Aus der Weile wurden dann 6 Monate...
Als der Sozialdienst sich meldete, waren 9 Monate vergangen. 9 Monate in denen unser Kind kaum eine Entwicklung hatte. Er konnte kurz darauf die Kiga-Gruppe wechseln zu einer I-Gruppe, dort wurde er besser betreut und sie versuchten mit uns gemeinsam und über ein von der Psychologin empfohlenes Belohnungssystem von der Windel wegzukommen. Es war im Früjahr dann geschafft, nur noch nachts trug er die Windel. Tagsüber nässte/kotete er weiterhin sporadisch ein. Für den Kiga war das kein Problem und auch wir engagierten uns mit der Situation. Bei mir setzte eine Art Akzeptanz ein, dass dieser Zustand sich nicht so schnell ändern würde. Trotzdem hatte ich auch weiterhin häufig Selbstzweifel und reagierte unzählige Male genervt oder wütend, wenn es mal wieder passierte. Es tut mit im Nachhinein natürlich leid, aber wir sind alle Menschen und es trieb mir oft den letzten Nerv aus ...
Wir starteten mit einer neuen Logopädin,sie hatte einen guten Draht zum Kind und konnte auch mit seinem Vermeidungsverhalten umgehen. Unser Sohn fing auch an, eine Ergotherapeutin zu besuchen. Sie erklärte uns so einiges, unser Kind hatte massive Wahrnehmungsschwierigkeiten und wir bekamen ganz viele Tipps, wie wir damit umgehen könnten.
Sie arbeitete so erfolgreich mit ihm, dass er endlich bereit war, ein Bild zu malen und mal einen Stift überhaupt in die Hand zu nehmen.
Ein Psychologe redete zwar hin und wieder mit uns und auch mit unserem Sohn, einen "Grund" für die Enkopresis und Enuresis konnten wir aber nicht finden oder behandeln.
Wir verfolgten den Ansatz, dass er es mit seiner Körperwahrnehmung zusammen hing (obwohl er auch ein Jahr erfolgreich trocken gewesen war).
Urologisch wurde er auch abgeklärt zu diesem Zeitpunkt, das Volumen der Blase war wesentlich verkleinert, könnte aber eigentlich nur größer werden, wenn er bewusst zurückhalten würde. Da er aber in 5 von 10 Fällen ohnehin nicht sagte, dass er muss, haben wir ihn nie gebeten, es zurückzuhalten. Er bekam ein Elektrostimulationsgerät, dass die Wahrnehmung von Stuhl- und Harndrang zumindest verbessern sollte. Es blieb ein auf und ab, Tage an denen es klappte wechselten sich mit Tagen, an denen er bis zu 6 Hosen brauchte.
Wir versuchten Rituale einzuführen, feste Klozeiten, arbeiteten mit dem Time Timer, Erinnerungen,... alles probierten wir. Doch es war eine unvorhersehbare Achterbahn.
Im Sommer wurde er 5 Jahre alt und es tat sich nicht wirklich was, im Herbst startete er mit einer Gruppen Ergo. Dort verbesserten sich seine (fein)motorischen Fähigkeiten stark und er profitierte von den vielen Erfolgserlebnissen. Die Ergo-Gruppe war immer ein Highlight für ihn, und da er schon sehr therapiemüde war, ein perfektes Setting. Es war wie ein cooler kleiner Bastelvormittag mit seiner Lieblingstherapeutin.
Zum Jahreswechsel hin entschieden wir uns, eine Reha zu beantragen. Unser Sohn sollte endlich sprachlich vorankommen, seine anderen Probleme mit Hyperaktivität und Aufmerksamkeit, Enkopresis und Enuresis sollten gleich mit bearbeitet werden. Außerdem erhoffte ich mir Antworten. Wieso war alles, wie es war?
Kurz vor der Reha im Mai 2022 hatten wir noch eine von uns angeleierte ADHS Diagnostik. Wir hatten das Thema immer wieder im Kopf. Leider wurden wir nur wenig ernst genommen und nach lächerlichen zwei Stunden hat man uns mit einem Papier auf dem Stand "Adhs nicht feststellbar" wieder nach Hause geschickt.
Die Reha tat uns gut, ich hatte viel wertvollen Austausch, wir hatten das erste Mal Psychotherapie mit ihm und die Therapeutin verstand so einiges, was der Diagnostiker-Psychologe nur abgetan hat. Es tat meiner Seele wahnsinnig wohl. Es war dort einfach so eine bubble, in der alles ernst genommen wurde. Niemand sagte Phrasen wie "Es wird sich alles verwachsen. Er wird seinen Weg gehen. Andere haben es schlechter"...
Sprachlich half ihm die Reha nicht, er wurde aber ruhiger, das Klothema deeskalierte noch einmal mehr und wir lebten einen angenehmen therapiefreien Sommer. Er wurde 6 Jahre alt und wir hatten ihn in der Sprachheilklasse angemeldet.
Der Schulbeginn war holprig, wie erwartet. Plangemäß hatte ich nach 2 Wochen mein erstes Elterngespräch, unser Sohn war zu dem Zeitpunkt aber völlig angepasst, hatte kein einziges Mal eingekotet/eingenässt und wir wurden ein weiteres Mal nicht ernst genommen. Die Lehrerin winkte ab und wir dachten,... dann lassen wir den Dingen halt mal ihren Lauf.
Nur wenige Wochen später fing er natürlich auch in der Schule an, einzunässen/einzukoten, er war abgelenkter, ... es ging rund. Ich musste ihn einmal sogar in der Schule abholen weil er soviele Hosen gebraucht hatte, und die Lehrerin völlig überfordert war. Die Schule hatte keine Ahnung und wir mussten viel Aufklärungsarbeit bzgl Enkopresis/Enuresis leisten. Das verlangte mir viel ab.
Wir meldeten uns bei einer neuen Psychotherapeutin, weil wir wieder bei ca 6 Hosen am Tag waren (jeden Tag!!!) und ich am Ende mit meinem Latein war.
Sie machte ein Elterncoaching mit uns, half uns auf vielfältige Weise und empfahl uns eine weitere ADHS Diagnostik zu machen.
Und siehe da, die neue Diagnostik war viel zeitintensiver. Wir fingen bereits vor Ende der Diagnostik mit Ritalin an (unsere Psychiaterin, die uns seit wir beim Sozialdienst waren zur Seite stand, hatte es uns mehrmals angeboten es einfach zu versuchen).... Mit den Tabletten machte er plötzlich, nach 3 Jahren Logo, die ersten Sprachfortschritte. Er sagt nun ein "f" in Verbindung mit einem Selbstlaut, er kann ein "r" beim Üben in einem Wort sagen und ich könnte vor Glück heulen, dass das endlich klappt!!! Und: er ist in der Wirkzeit zu 95% trocken und sauber!!
Die Diagnose haben wir nun auch schwarz auf weiß erhalten. In einigen Wochen haben wir eine Befundbesprechung bzgl einer Genetik-Untersuchung die gemacht wurde (Mrt und EEG unauffällig), und ich hoffe dort kommt nicht noch was neues raus...
Ich hoffe hier auf etwas Austausch

Lg