Hallo von Isanna mit Sohn (Asperger Autist)

Hier könnt ihr euch und euer Kind bzw. eure Kinder vorstellen.

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Isanna
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Hallo von Isanna mit Sohn (Asperger Autist)

Beitrag von Isanna »

Hallo in die Runde,
ich hoffe, es ist ok, wenn ich (noch) keine Namen nenne und meinen Sohn nur als M. vorstelle, er ist auch schon älter (15 Jahre) und da er schon selbst mitschreiben könnte, möchte ich ein wenig mehr Rücksicht auf ihn nehmen.
Ich bin über das Forum gestolpert und habe mich sehr gefreut, dass meine Anmeldung freigeschaltet wurde.
Wir haben ganz frisch die Diagnose Asperger Autismus bekommen und obwohl wir damit schon gerechnet haben, beschäftigt es mich doch mehr, als ich anfangs gedacht habe.
M. hat sich vor einigen Jahren als transident geoutet und wir sind bis jetzt seinen Weg mit ihm gegangen, er hat viele Tiefs hinter sich, wurde extrem gemobbt an der Schule, einen Schulwechsel hat er vor einiger Zeit hinter sich gebracht, aber auch dort gibt es Probleme (ganz aktuell wieder Mobbbing-Versuche).
M. wurde sehr depressiv, hat auch einen Sterbewunsch geäußert, er war daraufhin in einer Notstation untergebracht, mit Müh und Not haben wir in innerhalb eines Jahres stabil bekommen. Leider hat er massive soziale Probleme in der Schule und aktuell gehäufte Fehlzeiten.
Wir haben schon seit dem Outing für eine Psychotherapie gesorgt und er nimmt auch seit einigen Monaten ein Medikament ein.
Er soll nun an ein Autismus-Zentrum angebunden werden. Da wird er aber sehr lange auf einen Platz warten müssen.
Ich weiß nicht, ob ich in der richtigen Rubrik bin, aber ich hoffe, dass ich meine Fragen trotzdem stellen darf.
Leider muss ich zugeben, dass ich sehr überfordert bin zurzeit und ich weiß nicht, ob wir Eltern alles richtig machen.
Wir haben uns an eine Beratungstelle gewandt und dort wurde uns geraten, einen Pflegegrad zu beantragen, sowie einen GDB und unter Umständen eine Schulbegleitung, die M. dabei hilft, sozial besser zurecht zu kommen. Er geht auf ein reguläres Gymnasium, seine Noten sind aber "schlechter" geworden und insgesamt sehe ich, dass er "sozial" seit dem Schulwechsel Rückschritte gemacht hat und er einfach nur ausgelaugt ist. Er hat auch jeden Tag Angst in die Schule zu gehen seit dem Vorwahl vor einigen Wochen haben wir nun immer mehr Redezeiten und viel Aufwand ihm gut zuzureden, dass er die Schule schafft. Er geht auch jedes Mal, aber man merkt einfach, dass es ihn wahnsinnig viel Kraft kostet und er auch depressiver wirkt.
Hat denn jemand einen Rat, was wir hier tun können? Ein Gespräch mit dem Klassenlehrer haben wir vereinbart, er fragt, wie er mit M. umgehen soll, allerdings weiß ich gar nicht, was eine Schule denn "leisten" muss. Was darf man denn "erwarten"? Vom Sportunterricht ist er schon befreit, aufgrund der Transidentität, aber ich sehe, dass er im Zeugnis eine Verhaltensnote bekommt, aber ist das richtig, dass er da benotet wird? Was ist mit freiem Reden und Gruppenarbeiten? Die fallen ihm massiv schwer und er arbeitet meistens sehr schnell im Alleingang voraus.
Ich habe mit dem Jugendamt telefoniert heute, wo man mich ziemlich angegangen ist, als ich nach einer Schulbegleitung gefragt habe, ich habe wirklich keine Ahnung von dem Thema, hab mich nie mit Autismus im Nähren befasst und kenne (kannte) auch niemanden der betroffen ist, aber der Mitarbeiter war sehr ruppig und meinte, dass mein Sohn mit Asperger gar nichts hätte und was ich nach sowas überhaupt frage :( war mir sehr peinlich, aber wenn wir dahingehend beraten werden, dann gehe ich davon aus, dass solche Anfragen auch berechtigt sind?
Die Krankenkasse meinte aber ganz das Gegenteil, nämlich, dass M. wohl begutachtet werden könnte und das zu einem Pflegegrad nicht nur das zählt, was ein Kind kann (denn er kann sich ja selbst versorgen, diese Probleme bestehen nicht) aber dass es sich auch darum dreht, dass man als Eltern viel mehr Fürsorge und Hilfestellungen im gesellschaftlichen Rahmen geben muss und dass das damit einfließt, stimmt das denn? Auch damit kenne ich mich nicht aus.
Einen GDB habe ich bisher nicht beantragt, denn da hieß es laut Beratungsstelle, dass M. das nichts bringen würde, er arbeitet ja noch nicht und vor allem bringt ihm ein GDB auch so nichts, wenn er keine Merkzeichen bekommt, mit der Diagnose Autismus können das nur H oder B sein. Nun hilflos ist er ja nicht und er fährt auch mit dem Bus in die Schule (was er absolut hasst und ihn stresst, aber er trotzdem macht, weil es anders nicht geht, es aber deswegen zu regelmäßigen Diskussionen kommt, weil er es mit den Menschen kaum aushält, die Gerüche, Geräusche).
Ich weiß aber, dass es bei den Gutachten eben nicht darum geht, was man nicht "gern" macht, sondern was wirklich nicht mehr geht.
Leider geht es ihm aber dadurch nicht besser, nur weil er Situationen in Dauerschleife aushält, die er grundsätzlich vermeiden wird, wenn er kann.

Puh, das war ganz schön viel, aber eine letzte Frage habe ich noch, und ich versuche mich kurz zu fassen, damit der Text nicht noch den Rahmen sprengt :mrgreen:
Gibt es hier einen Austausch für Eltern, die selbst krank sind oder mit Einschränkungen leben? Ich selbst habe auch einen GDB von 50 der sich aus vielen verschiedenen Dingelchen zusammensetzt.

Ich bedanke mich ganz arg für eure Zeit, die ihr euch fürs Lesen genommen habt und ich hoffe, dass ich ein bisschen Anschluss finde.

Einen schönen Abend euch allen.
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Sophie-11
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Re: Hallo von Isanna mit Sohn (Asperger Autist)

Beitrag von Sophie-11 »

Hallo Isanna,

ganz herzlich willkommen in diesem Forum, das ich als enorm hilfreich erlebt habe, gerade auch bei den Fragen, die Du hier schon angerissen hast!

Viel Zeit habe ich im Moment nicht, aber ein bisschen wollte ich schon mal schreiben: Erstmal ist es völlig ok (mMn sogar vorzuziehen  8) ), keine Namen zu nennen, immerhin sind fast alle Bereiche hier uneingeschränkt sichtbar, und es geht ja schon um sehr sensible Themen. Und gelegentlich auch um Streit mit Behörden, der auch nicht allzu öffentlich sein sollte.

Schulbegleitung: Steht Deinem Sohn zu, wenn er v.a. in der Schule so stark beeinträchtigt ist, dass Verweigerung droht. Jugendämter erzählen einem aber auf Nachfrage erstmal fast grundsätzlich (es soll auch Ausnahmen geben :o ), dass man auf Hilfen keinen Anspruch hätte, weil das nämlich Geld kosten würde. Am Besten, man stellt gleich einen Antrag auf Eingliederungshilfe nach §35a SGBVIII (= 8. Sozialgesetzbuch) - darunter fallen z.B. Autismustherapie und Schulbegleitung. Eine gute Hilfe, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen (wenn man Amtsdeutsch ertragen kann) ist diese Arbeitshilfe - zwar für NRW geschrieben, aber Sozialgesetzgebung ist Bundesrecht.

Schwerbehindertenausweis mit dem Grad der Behinderung: spätestens wenn Ihr den Bedarf für eine Schulbegleitung bescheinigt habt, stehen Deinem Sohn mindestens 50% und H zu. B wird eher schwierig, wenn er alleine mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren kann.

Pflegegrad: Nicht nur aktive Hilfe zur Verrichtung zählen, sondern auch Dinge wie Beaufsichtigung, Kontrolle, Bereitstellung besonderer Umgebungsbedingungen etc., alles, was über den Aufwand für "normale" Kinder hinausgeht. Sehr hilfreich kann hier ein Pflegegradrechner sein, geh den mal durch, hier wird eigentlich recht gut erklärt, was alles zählen kann. Wichtig: Das Geld gibt es ab Antragsstellung!

Schule: Deinem Sohn stehen Nachteilsausgleiche zu. Hier wäre es hilfreich zu erfahren, in welchem Bundesland er zur Schule geht, weil es dabei erhebliche Unterschiede geben kann.

Soweit für's Erste, die einzelnen Punkte können hier bestimmt noch vertieft werden. Klingt erstmal unglaublich viel, aber vieles zieht sich dann auch ziemlich hin, bis Anträge bearbeitet sind...

Mein Mittlerer klingt ein bisschen ähnlich wie Dein Sohn, bei ihm ist es auch unglaublich schwer zu beurteilen, was zwar doof, aber noch zumutbar ist und was eben nicht :roll: . Er hat die Diagnosen Asperger und ADHS, meine Jüngste Asperger.

Liebe Grüße!
der Große *12/2007 (eher Spektrumsnah)
der Mittlere *09/2010 (ASS, ADHS, Grenzgänger)
die Kleine *02/2014 (Asperger)
Anne_mit_2
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Re: Hallo von Isanna mit Sohn (Asperger Autist)

Beitrag von Anne_mit_2 »

Hallo Isanna,

Deine Fragen sind absolut berechtigt und Du hast schon eine gute Antwort bekommen. Es ist aus meiner Sicht sinnvoll und notwendig, sich selbst und die Kinder zu anonymisieren, wenn man in Foren schreibt. Man weiss nie, wer hier gerade warum mitliest. Es ist ja fast alles öffentlich zugänglich.

Bzgl. des Schulweges habe ich aber noch einen Gedankenanstoss: Ist die Schule zu weit entfernt, als dass er sie individuell (z.B. Fahrrad) erreichen könnte, oder wäre der Weg zu schwierig oder zu gefährlich? So wie du ihn schilderst, scheint er ja doch halbwegs mit Alltagsdingen zurecht zu kommen -- andere Aspies sind in der Pubertät aus Überlast und aus Unverständnis für sich selbst und ihre Umwelt schnell massiv in der Schulverweigerung....

Der Hintergrund meiner Frage: Ich bin ab der 6. Klasse bei jedem Wetter mit dem Fahrrad gefahren (6km einfache Strecke, hauptsächlich durch die Felder), da ich den Bus nicht ertragen konnte. Mein Mann ist in der Oberstufe jeden Tag 23km einfache Strecke mit dem Rad gefahren (separater Radweg neben einer Bundesstrasse), weil er mit dem Trubel im Bus nicht klarkam. Unsere Große ist in Klasse 1-4 etwas über 3km zu Fuß zur Schule gelaufen (und immer ein Elternteil mit...) und später in der weiterführenden Schule mit dem Fahrrad gefahren (hauptsächlich durch die Felder, ab Klasse 7 allein) weil ihr der Bus zu voll war, der Kleine übt schon fleißig den Weg für den Wechsel auf die Weiterführende Schule nach den Sommerferien (mit dem Fahrrad durch die Felder). Wir leben sehr ländlich und die Strecken sind dadurch eher reizarm und entspannend statt Kräfte zehrend. Die tägliche Busfahrt hätte bei mir und bei meiner Tochter sicher den Schulerfolg gefährdet, weil jede von uns zu ihrer Zeit nach der Schulbusfahrt schon total fertig und so reizüberflutet war, dass kein Schulstoff mehr reinging. Bei der Fahrradfahrt konnte ich immer gut 'runterkommen'. Ja, unsere Eltern und auch wir wurden oft als Rabeneltern bezeichnet, weil wir den jeweiligen Kindern die Radfahrt bei jedem Wetter zugemutet haben, aber die Alternative wäre "Elterntaxi" gewesen, was aus verschiedenen Gründen unmöglich war -- die Generation unserer Mütter hatte noch nicht einmal einen Führerschein....

Viele Grüße,
Anne
Seit Generationen nah am/im Autismusspektrum, 2 Kinder:
die Große: unreif am Termin geboren, davon diverse kleine 'Problemchen'; inzwischen erwachsen und verheiratet
der Kleine: gesund, schlau, fit, verhaltensoriginell (aber gefahrenbewusst)
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Re: Hallo von Isanna mit Sohn (Asperger Autist)

Beitrag von Lumoressie »

Hallo Isanna,

nur zum Verständnis. Bedeutet in eurem Fall transident, dass dein Sohn zumindest optisch früher mal ein Mädchen war?
Ich glaube, in der Schule kannst du es momentan für deinen Sohn kaum leichter machen.
Ein Schulwechsler, transident UND Autist- das ist für “normale“ Kinder in dem Alter wirklich kaum zu verkraften, wo man schon gemobbt wird, wenn man Schuhe der falschen Marke trägt.
Ein Schulbegleiter hilft da, denke ich, auch nicht. Da fällt dein Sohn nur noch mehr auf.

Hat er denn sonst irgendeine Gruppe, wo er sich zugehörig fühlt?
Da würde ich vielleicht eher zunächst ansetzen, damit er sich irgendwo geschätzt fühlt und selbstsicherer wird.
Und wenn er schon eine Idee hat, was er später mal machen will, kann man mit der Schule unter Umständen ein paar Praktikumswochen ausmachen.
Wichtig ist, glaube ich, dass er sich irgendeiner Gruppe fest zugehörig fühlt. Dann bleibt Schule etwas, das man hinter sich bringen muss.

Alles Gute euch.
Ich, 45
mit 6 Pflegekindern,
23, PTBS
22 ganz gesund
14 FAS, Epilepsie, blind, PEG-frei Dank Notube seit
Pfingsten 2014!!! sakrale MMC
14 hörbehindert, Gesichtsfehlbildung
9 FAS
5 Jahre, Spina bifida, Hydrocephalus mit VP-Shunt, Arnold Chiari Typ 2

und J. im Herzen *12.12.06 +28.12.07
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Re: Hallo von Isanna mit Sohn (Asperger Autist)

Beitrag von Sophie-11 »

Hallo,

Annes Vorschlag mit dem Fahrrad kann ich nur unterstützen. Wir fahren hier auch fast alle Wege mit dem Fahrrad, weil Öffis zu viel Stress bedeuten. Mein Sohn fährt auch täglich mit dem Rad 10 km zur Schule und 10 km zurück; in Ausnahmefällen ist aber auch eine Verkürzung auf 3,5 km einfacher Weg möglich (und somit bei Schnee/Glatteis auch zu Fuß machbar) (mit Kosten). Das ist für uns fast optimal.

LG!
der Große *12/2007 (eher Spektrumsnah)
der Mittlere *09/2010 (ASS, ADHS, Grenzgänger)
die Kleine *02/2014 (Asperger)
Isanna
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Re: Hallo von Isanna mit Sohn (Asperger Autist)

Beitrag von Isanna »

Hallo in die Runde,
Wahnsinn, vielen Dank für die vielen und tollen Antworten, ich habe gar nicht damit gerechnet, dass das so schnell geht :)
Sophie-11, ein herzliches Dankeschön für deine ausführliche und sehr hilfreiche Antwort, das hat mich schon ein wenig mehr sortiert und auch den Pflegerechner habe ich heute Morgen mal ausprobiert, laut diesem würde es für Pflegegrad 2 "reichen".... hmm das warten wir mal ab, ich weiß nicht, ob es bei der Begutachtung und im realen Leben genauso gewertet wird. Wie gesagt, er hat mehr Probleme psychischer Natur und im gesellschaftlichen/sozialen Leben, da muss ich einfach schauen, was die Krankenkasse meint. Und vor allem, ob das auch ohne GDB bearbeitet wird. Das ist viel Input und ich gehöre zu den Menschen, die das immer ein paar Tage sacken lassen müssen. Mit der Schulbegleitung kann ich den Einwand von dir Lumoressie sogar verstehen und ja, da gebe ich dir auch Recht, er braucht eine feste Gruppe und in dem Alter ist es schwer, wenn man zu sehr auffällt, was er ja immerhin schon tut, da er optisch sich noch sehr von den anderen Jungs unterscheidet. Es ist richtig, dass M. weiblich geboren wurde, geoutet hat er sich vor knapp drei Jahren und das auch sehr konsequent und direkt im kompletten Leben. Wir Eltern und Familie hatten keine Zeit uns darauf einzustellen, er outete sich in den Sommerferien und ging direkt in die neue Klasse als M. (mit den selben Schülern) - ein halbes Jahr ging das super gut und M. war gelöst und glücklich, dann fing das Mobbing an und er rutschte massiv ab. Anders war er schon immer und sozial gab es immer Auffälligkeiten, aber er war ein Kind, welches nie aggressiv war und immer fleißig, höflich, die Lehrer/Erzieher waren immer zufrieden mit ihm. Nur Freunde hatte er keine gefunden. Er klammerte sich sehr an seine Schwester, die aber irgendwann auch nicht mehr konnte, weil sie immer alles für ihn regeln musste und sie keine eigenen Freunde und Erfahrungen machen konnte. Sie wurde daraufhin auch krank, weil sie die ganzen Mobbingattacken miterlebt und ihn verteidigt hat überall. Deswegen gehen sie nun auf getrennten Schulen und die Schwester geht auch in Therapie, sehr erfolgreich, sie kann sie in diesem Halbjahr noch beenden und ihr geht es wieder sehr gut.
Seit letztem Jahr sind wir einfach in einem Ausnahmezustand, ich behaupte einfach mal, dass der Autismus nicht das Kernproblem ist, sondern die psychischen Erkrankungen die er bekommen hat, seit dem heftigen Mobbing (was er schon seit der Grundschule kennt, aber doch besser verkraftet hat) ist er einfach nicht mehr derselbe. Mir macht es das Mutterherz sehr schwer, wenn ich ihn so sehe und dass er gar keine Kraft mehr für die Schule hat, wir jedes Wochenende Krisensitzungen haben, damit er überhaupt geht. Und dabei ist er ein guter Schüler und er hat auch super tolle Interessen und Talente. Es wäre einfach schlimm, wenn er seinen Weg nicht findet. Allerdings hat er jetzt seit ca. 10 Wochen einen besten Freund, der ihn so nimmt wie er ist und dazu gehört auch ein dritter, der mal mehr, mal weniger dabei ist. Aber da macht M. sich große Hoffnungen, dass die Freundschaft bestehen bleibt und wir auch. Der Junge war auch schon zu Besuch und da er wie M. auch sehr intelligent ist, haben sie sogar in manchen Bereichen die gleichen Interessen und das wäre natürlich super, wenn die Freundschaft sich festigt, er hat aber bis jetzt nur einen sehr wackeligen Platz in der Klassengemeinschaft.
Anne, danke auch dir, die Idee ist super mit dem Fahrrad, leider in unserem Fall aber nicht umsetzbar, da die Schule ca 30 Minuten mit dem Auto entfernt ist, er fährt über einer Stunde mit dem Bus, Zuganbindung gibt es keine direkte und der Bahnhof wäre noch 3 km zu Fuß entfernt, Busanbindung würde er zum Schulstart verpassen. Deswegen fällt das flach, wir Eltern fahren ihn manchmal morgens, mittags ist es wegen der Arbeitszeit problematisch. Was wir uns aber überlegt haben, da zieht M. aber noch nicht wirklich mit, wäre ein Mofa/Rollerführerschein und dann ein kleines Elektroauto, das nur wie eine Schnecke über die Landstraße kriecht *g*. Denn Autobahn muss man für den Schulweg nicht nehmen, er wäre dann zwar auch ewig unterwegs, aber dafür alleine und er muss auf keinen Bus mehr warten, käme mittags ein wenig früher nach Hause und er wäre selbstbestimmter. Aber wie gesagt, da zieht er noch nicht mit.
Zum Thema Praktikum, das hat er vor einigen Wochen in einem Kunstfachhandel gemacht, das hat die erste Woche geklappt, in der zweiten war er schon wieder emotional übervoll, da hat er die ganze Woche nicht mehr geschafft. Er hat alle Aufgaben übernommen, die ihm aufgetragen wurden, denn das macht er einfach, er tut was man ihm sagt, aber vieles ist anstrengend für ihn, belastet ihn und danach geht es ihm schlecht. Er hat sich oft versteckt vor den Kunden und hat dann sehr akkurat die Stifte sortiert oder das Papier geglättet, alles nach Farben sortiert. Er schämt sich dann teilweise dafür, wenn er merkt, dass andere das beobachten oder bemerken, aber ich denke mir, gibt Schlimmeres als einen sehr ordentlichen Laden und ihn beruhigt es und er kann sich dann einige Zeit später wieder schwierigeren Aufgaben widmen. Wir haben also schon einige Strategien entwickelt ohne zu wissen, was er eigentlich hat und deswegen glaube ich, dass wir das auch schaffen werden, aber meine große Angst ist einfach, die Grenze nicht zu erkennen und das M. abbaut anstatt aufbaut. Wir Eltern sehen ja, dass unser Leben seit einem Jahr wie brach liegt.
So, ich muss dann mal fix weiterarbeiten. Und bedanke mich hiermit nochmal herzlich für eure Zeit, ich habe mich echt gefreut heute Morgen von euch zu lesen. Es würde mich an dieser Stelle auch interessieren, wie ihr damit umgeht und am Anfang damit zu tun hattet. Geht es euch denn gut als Familie? Welche Hilfen nehmt ihr denn in Anspruch und was habt ihr für eure Kinder beantragt?

Einen schönen Resttag wünsche ich euch.
Chaosmarie2
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Re: Hallo von Isanna mit Sohn (Asperger Autist)

Beitrag von Chaosmarie2 »

Hallo Isanna,

herzlich willkommen in diesem tollen Forum!

Lektion eins: Rufe nie beim Jugendamt an und frage irgendwas. Wenn Du nicht gerade einen supertollen Sachbearbeiter hast, ist das Jugendamt so ziemlich die letzte Instanz, die Dir bei irgendwas hilft. Beim Jugendamt stellst Du Anträge, z. B. auf einen Schulbegleiter, die dann genehmigt oder abgelehnt werden. Mehr kannst Du nicht erwarten.

Bei Dir und Deinem Kind kommt einiges zusammen. Autismus mag nicht das Hauptproblem sein, aber es ist ein Puzzlestück. Seid Ihr angebunden an ein ATZ? Eventuell kann Euch auch ein guter, autismuserfahrener Kinder- und Jugendpsychologe (nicht Psychiater) weiter helfen.

LG
Marie
Isanna
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Beiträge: 7
Registriert: 29.01.2023, 12:48

Re: Hallo von Isanna mit Sohn (Asperger Autist)

Beitrag von Isanna »

Guten Morgen in die Runde,

ich wollte mich nochmal zurückmelden und ein kleines Update geben. Aber erstmal Marie, vielen Dank für deinen Rat :D ich weiß, dass du Recht hast, aber naja irgendwo bin ich (trotz eigener jahrelanger Erfahrungen) immer noch naiv was Ämter angeht.
Den Ratschlag habe ich mir aber so zu Herzen genommen, dass ich die letzten zwei Wochen genutzt habe und habe mich durch beinahe das ganze Forum für Autismus gewühlt. Denn, ich habe mir den Mut gefasst und einen GDB und einen Pflegegrad beantragt. Ich weiß, dass viele Eltern hier viel mehr Aufwand und Pflege haben, vor allem bei körperbehinderten Kindern oder viel kleineren, die vieles noch nicht so gut/ gar nicht selbstständig können. Aber durch die vielen Fäden und Anmerkungen aus meinem Alltag, sowie Gespräche mit den Zentren und auch der Krankenkasse, würde ich mal behaupten, dass auch Eltern mit hochfunktionalen Autisten einen hohen Pflegeaufwand haben - der eine mehr, der andere weniger in verschiedenen Bereichen und in unserem ist es tatsächlich der Alltag außerhalb der Familie, mir war vieles in der Vergangenheit gar nicht klar, man macht eben einfach, weil man sich aufs Kind einstellt und sich einfach anpasst. Aber seit wir mehr darauf achten, wie anders er ist (ja, ich gebe es zu, ich beobachte ihn ein wenig mehr seit wir es wissen), fällt mir vieles sehr stark auf. Deswegen haben wir uns dazu entschlossen. Ich finde es nämlich doch sehr "belastend" wieviel Zuwendung er braucht durch seine Ängste, Hemmung. Schon seltsam, wenn man bedenkt wie intelligent er ist, für seine wichtigen Themen einstehen kann, aber sich selbstständig keine neuen Socken kaufen kann, oder sagen kann, dass er welche braucht.... Das finde ich für einen fast 16-jährigen nicht altersgerecht.
Auf jeden Fall war mir dieses Forum eine wahnsinnig große Hilfe, an dieser Stelle ein dickes Dankeschön an die alten User, die sich (teilweise vor 10 Jahren) die Arbeit und Mühe gemacht haben, PDFS zur Verfügung zu stellen, wie ein Pflegetagebuch aussehen kann, es hat mir in dem Fall zwar nicht geholfen, da M. ja keine körperliche Pflege benötigt, aber es gab mir viele Hinweise darauf auf was man genau achten muss bei Antragsstellung, auch gab es viele detailreiche Beschreibungen von anderen Eltern, wie ihr Kind im Alltag "funktioniert" und warum gerade deswegen ein Pflegeaufwand durch Anleitung entsteht - da sah ich viele Parallelen. Auch hat eine Userin ein Dokument zum auffälligen Verhalten zur Verfügung gestellt, das fand ich sehr hilfreich. Der MDK hat schon einen Termin zugesandt und da bin ich mal gespannt, was dabei rauskommt.
Ich habe mit Hilfe des Pflegegradrechners (der mir immer wieder Grad 2 ausspuckt - realistisch?) "mein" Pflegetagebuch erstellt, in dem ich die Punkte unkenntlich gemacht habe und Fallbeschreibungen aus dem Alltag (teilweise mit Zeitangaben) zu den verschiedenen Modulen aufgeschrieben habe, Situationsbeschreibungen, genaue Hilfestellungen und wenn möglich erhöhter Zeitaufwand im Gegensatz zu seiner Schwester (vielleicht ist das für andere Eltern mit älteren Kindern ein wenig hilfreich). Mal sehen, ob der MDK das anerkennt.
Zusätzlich möchte ich noch (dazu bin noch nicht gekommen) eine Wochenbeschreibung mit möglichen Zeitangaben erstellen, damit wir dem MDK auch "beweisen" können, wie viel Zuwendung M. braucht in der Woche, vor allem Motivation und Trost in die Schule zu gehen. Oder Begleitung zu Ärzten (vor allem fremden Ärzten, oder welche die er nicht mag - also Fachrichtung).

Ein bisschen Erfolg hatten wir aber trotzdem schon, M. hatte mit uns ein großes Gespräch in der Schule und seine Klassenlehrer waren sehr offen. Wir haben jetzt nur mündlich ein paar Entscheidungen getroffen, ohne schriftliche NTA und ohne Schulbegleitung fürs erste. M. darf schriftliche Ausarbeitungen zu Referaten machen, mündlich muss er nicht mehr, er bekommt eine feste Arbeitsgruppe und eine feste Sitzordnung, die Lehrer helfen bei Streitgesprächen, er darf sich einen Lehrer aussuchen, der ihn ein wenig mehr unterstützt bei sozialen Schwierigkeiten oder Kummer, die Klasse wird informiert, um evt. Mobbing zu umgehen, das darf er mit einem Lehrer machen, dem er vertraut (da fällt mir ein, da müssen wir noch einen "Plan" erstellen - M. denkt da ja nicht dran und bei mir ist es hinten runter gefallen ;) )
M. nimmt nun auch eine höhere Dosis seines Antidepressivums. Die ersten Tage war er extrem aufgekratzt und am Wochenende gab es schon wieder Angstzustände :( ich hoffe, da pendelt sich noch was ein.

Ich hoffe, dass es M. damit in naher Zukunft besser gehen wird. So geht es auf jeden Fall nicht weiter, ich hab ja schon gesagt, dass unsere Familie seit über einem Jahr in einem "Ausnahmezustand" ist, diese ständigen psychischen Zusammenbrüche will ich meinem Kind auch nicht mehr zumuten, aber es kann auch nicht die Lösung sein, dass er gar nicht mehr zur Schule geht.
Was mich irgendwie erschreckt und traurig macht, ist dieser große Grad zwischen hochfunktional und unselbstständig, ich stelle da manchmal die Diagnose in Frage so innerlich, weil er in manchen Bereichen so normal wirkt und da habe ich auch Angst vor Fragen, wenn die Begutachtung kommt, denn wie erklär ich jemanden, der das alles einschätzen muss, M. so informiert und reif ist für sich eine Hormontherapie zu wollen aufgrund seiner Transidentität, setzt sich mit komplizierter Literatur auseinander im Bezug auf Wirkung ect. würde es aber alleine nie hinbekommen auch die Termine ordentlich zu machen, hinzugehen, sein Anliegen vorzutragen, obwohl er alles versteht, aber nicht kann, weil er an den wichtigen Stellen gehemmt ist zur Kommunikation - macht das Autismus aus? Wenn ja, vielleicht habe ich unser Kind dann endlich verstanden, wenn nein, soll ich alles absagen? Diese Fragen beschäftigen mich sehr, denn ich möchte ihm ja helfen in seinem Sinn und nicht schaden.
Versteht mich jemand?
Es tut mir leid, dass euch so die Ohren volljammere (und ja es wurde kein kurzes Update...) aber ich habe niemanden mit dem ich neutral darüber sprechen kann. Meine Mutter lässt mich sehr im Stich zur Zeit und manchmal bräuchte ich einfach nur jemanden der mich/uns versteht und mal sagt, dass wir es richtig und gut machen.
Puh, ich danke euch nochmal von Herzen, dass es dieses Forum gibt und auch an die Moderation, die die alten Fäden so lange am Leben erhalten und die ganzen Dokumente noch erhalten sind.
Machts gut und bis bald.
Liebe Grüße.
Isanna
Lena80
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Registriert: 24.01.2022, 15:03

Re: Hallo von Isanna mit Sohn (Asperger Autist)

Beitrag von Lena80 »

Ja, so sieht Asperger Autismus zumindest bei uns zu Hause auch aus. Unser Sohn hat die Diagnose Asperger&ADHS und hat ebenfalls Genderdysphorie. Er ist gerade mal 8 Jahre alt, aber weiß ganz genau, was er will, steht für alles ein, hinterfragt JEDE gesellschaftliche Norm und hat schon mit der Rektorin seiner Schule über genderneutrale Toiletten diskutiert. Mein Kopf platzt manchmal fast vor lauter Spektren in unserem Leben. Ich habe auch gerade den Pflegegrad beantragt.
Ich glaube, ihr seid jetzt auf einem guten Weg!
"Executive Functioning", also dass man im Alltag einfach so funktioniert ist das, was halt auch oft später nicht immer so einfach geht, je nach Lebenslage. Wie bei euren Socken....:-)Falls du ganz gut Englisch kannst, kann ich dir "Aspergers from the inside" auf YouTube empfehlen. Das sind wahnsinnig gut erklärte Videos zu allen möglichen Lebensbereichen von einem spät diagnostizierten Asperger Autisten aus Australien.
Liebe Grüße!
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Isanna
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Registriert: 29.01.2023, 12:48

Re: Hallo von Isanna mit Sohn (Asperger Autist)

Beitrag von Isanna »

Hallo Lena,
ich habe deinen Beitrag völlig übersehen :)
Hier liest man immer wieder das viele Asperger noch ADHS haben, wie äußert sich das denn?
Hattest du den MDK schon bei euch?

Wir haben unsere Begutachtung diese Woche, aber ich komme aktuell komplett ins Zweifeln, ob das alles so richtig ist, die Diagnose auch, ob wir den Termin absagen sollen, nochmal eine Diagnostik. Von allen Seiten höre ich nur Kritik, von vielen Leuten die einen gar nicht so gut kennen, da kommen ständig dumme Sprüche, dass sie gar nicht glauben können, dass unser Sohn autistisch ist, ob wir uns das gut überlegt haben ihn so eine Diagnose aufzudrücken, er ist ja damit gebranntmarkt sein ganzes Leben, wird keine Arbeit finden. Oder "ach was so schnell hattet ihr die Diagnose, das kann ja dann gar nicht richtig sein, du weißt schon, dass die das nur anhand von "Beobachtung" diagnostizieren... mich macht das mürbe.
Es wird eine andere Zeit kommen, es geht gar nicht anders, schlecht kann es nicht bleiben, es dauert seine Zeit aber es wird anders werden, es muss, sonst flieg ich auf den Mond :D aber alleine ;)

So... ich mach mich mal weiter an mein "Pflegetagebuch" es ist eher ein Panikpflegebuch, ich weiß ja nicht, ob es was bringen wird, aber ich beschreibe anhand einer Tabelle mal den Aufwand ihn in die Spur zu bekommen, wenn er Angstzustände hat, jeden Tag die Verweigerung in die Schule zu gehen. Leider habe ich den Anschein, das seine Medikamente nicht wirklich helfen :(

Eine gute Nacht an alle.

Liebe Grüße. Isanna
Antworten

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